Katrin Holtzwarth

Die Wahrheit ist
 

Die Wahrheit ist -
Ich habe eine Kuh auf einem Felsen getroffen.
Bei den Europäern sind Kühe rosa und färben auf die Landschaft ab.
In den Upanishaden sind Kühe das Alleseine, das Ur vor dem Einen Wort,
vor dem wort nach dem wort vor dem wort nach dem wort vor dem wort undsoweiter
Die Milch, die sie geben ist eben jenes Eine Wort, das, zu Käse geronnen, in Wörter zerbröckelt.
Genaugenommen ist also alles Käse.
Ich meine,
Die Wahrheit ist -
ich bin mit jemandem käseessend auf einem Felsen gesessen.
Nur daß das Käsessen rückwärts verlaufen ist, wie in einem
zurückspulendem Film, in dem die Teller nicht geleert sondern gefüllt werden.
Vielleicht ist ein Kuß so etwas wie ein Wort zu Wort, er liegt irgendwo hinter den Wörtern,
Milch statt Käse. Die Worte finden keinen Weg mehr in die Luft, die ihren Ton tragen könnte.
Schweig. Vielleicht heißt er nichts anderes, einfach nur: Schweig.
Das heißt sehr viel, aber manchmal heißt es vielleicht nur: ich will die Welt nicht mehr bauen, ich will nicht mehr in diesem Baukasten aus Käsewürfeln sitzen, also schweig.
Es gibt nur das Jetzt. Es gibt nichts, was darüber hinausgehen könnte über das, was Jetzt geschieht. Es gibt keine Grenzen mehr, weil es dort, wo es geschieht keine Namen gibt, bloß Kühe.
 
 
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